Neue Studie warnt vor massiven Risiken des aktuellen Ausschreibungsdesigns für Offshore-Windenergie: Kommende Bundesregierung muss bisherigen Kurs korrigieren
Berlin/Hamburg, den 20.05.2025
Eine aktuelle Studie der Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE zeigt die erheblichen Risiken des derzeitigen Ausschreibungsdesigns für Offshore-Windparks in Deutschland auf und unterlegt diese erstmalig mit Zahlen. Die von enervis energy advisors durchgeführte Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass das Modell zur Vergabe von Offshore-Windflächen langfristig deutlich negative wirtschaftliche und energiepolitische Folgen haben könnte.
Forderung nach Anpassung des Ausschreibungsmodells
Die Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE fordert entsprechend eine Überarbeitung, um die wirtschaftlichen und energiepolitischen Risiken zu minimieren und durch die richtigen regulatorischen Impulse kontinuierliches Wachstum und nachhaltige Wertschöpfung des Sektors zu ermöglichen.
„Die Ergebnisse der Analyse müssen als Aufforderung an die kommende Bundesregierung verstanden werden, hier endlich den Kurs zu korrigieren”, so Karina Würtz, Geschäftsführerin der Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE. „Die Energiewende darf nicht durch die Fixierung auf eine kurzfristige Einnahmenmaximierung gefährdet und der klare Blick auf die komplexen Marktrisiken und -zusammenhänge durch die hohen Gebotssummen der vergangenen zwei Jahre getrübt werden. Die Politik muss die langfristigen und vielfältigen Auswirkungen des Ausschreibungsdesigns stärker in den Blick nehmen und Rahmenbedingungen schaffen, die sowohl Investitionssicherheit, Wettbewerb als auch stabile Strompreise gewährleisten.
Hierzu gibt es aus dem europäischen Kontext bereits eine Vielzahl an erfolgsversprechenden Puzzlestücken, die in einem Dialog mit der Branche in den kommenden Monaten zu einem stimmigen Modell für Deutschland zusammengesetzt werden könnten. Dazu zählen:
- Die Einführung zweiseitiger Differenzverträge (Contracts for Difference, two-sided CfDs) würde die Risiken durch finanzielle Stabilität und so die Gesamtkosten im Strommarkt senken. Im jetzigen System mit negativer Gebotskomponente und ohne finanzielle Absicherung der Erlöse, erhöhen sich die Risikoprämien und damit Gesamtkosten ohne erkennbaren Mehrwert an einer anderen Stelle signifikant. Der Gesetzgeber hat hier den größten Hebel, um durch eine national passende Ausgestaltung eines CfD-basierten Systems, massiven Druck aus dem Markt zu nehmen und durch eine kosteneffiziente Lösung die eigenen energie- und industriepolitischen Ziele abzusichern.
- Die Begrenzung von Ausschreibungsvolumen pro Bieter sichert die Akteursvielfalt und den Wettbewerb für ein gesundes Marktumfeld und einen kosteneffizienten Ausbau. Darüber hinaus reduziert der Staat so die mögliche Abhängigkeit seiner energiepolitischen Agenda von wenigen Akteuren mit einer massiven Projektpipeline.
- Einführung von präzisen, aber realistischen Präqualifikationen (z. B. mit der Einführung des Net Zero Industry Acts), die Preisausreißer verhindern ohne Marktteilnehmer auszuschließen.
- Einführung von sinnvollen qualitativen Kriterien (bspw. zum CO2-Fußabdruck beim Transport von Großkomponenten oder zur Innovation im Bereich Systemintegration
Hohe Auktionserlöse – aber zu welchem Preis?
Die Bundesregierung setzt bei der Vergabe von Offshore-Windflächen aktuell auf ein Gebotsverfahren, bei dem der Bieter mit dem höchsten Angebot den Zuschlag erhält. Während das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) die hohen Einnahmen aus diesen Auktionen – allein 13,4 Milliarden Euro im Jahr 2023 – als positiven Beitrag zur Senkung der Netzumlage bewertet und Ausdruck der Attraktivität des deutschen Marktes bewertet, warnt die Studie vor negativen Begleiterscheinungen.
Laut den Ergebnissen könnten die hohen Gebote langfristig zu steigenden Strompreisen führen, da Betreiber die Kosten über Strombezugsverträge (PPAs) an die Industrie weitergeben. Besonders betroffen wären energieintensive Unternehmen und Branchen wie die Deutsche Bahn oder die Chemieindustrie.
Netzumlage steigt trotz Auktionserlösen
Die Studie zeigt zudem den geringen Effekt, den die Auktionserlöse voraussichtlich auf die Entwicklung der Offshore-Netzumlage haben werden. Selbst in den optimistischsten Szenarien läge der Effekt bei maximal 7,4 % – ein begrenzter Nutzen im Verhältnis zu den potenziellen Nachteilen. Und dies auch ohnehin nur, wenn die Projekte, für die entsprechend geboten wurde, auch tatsächlich umgesetzt werden, da 90 % der Gebotssummen erst nach Inbetriebnahme und dann über die Projektlaufzeit fällig werden. Entsprechend ist es auch für einen kosten- und planungsoptimierten Netzausbau von elementarer Bedeutung, dass das Auktionsdesign und die regulatorischen Rahmenbedingungen für Offshore-Wind-Projekte zu einer möglichst hohen Umsetzungswahrscheinlichkeit führen.
Steigende Kosten und drohende Projektabbrüche
Das ist aktuell nicht der Fall. Denn ein weiteres Risiko liegt in der Finanzierung von Offshore-Windparks. Die hohen Gebote setzen Betreiber unter Druck, Kosten zu senken. Ein substanzieller Hebel sind dann die Einkaufskosten für Großkomponenten wie Turbinen oder Fundamente, die einen Großteil der Investitionssummen ausmachen. Dies könnte dazu führen, dass zunehmend chinesische Hersteller den Zuschlag erhalten, die auch dank staatlicher Subventionen entscheidende Preisvorteile bieten können. Dadurch könnte die europäische und heimische Zulieferkette weiter unter Druck geraten.
Gleichzeitig steigt durch eine Vielzahl an (geo-, und sicherheits-)politischen, regulatorischen sowie marktlichen Unwägbarkeiten aktuell das Risiko, dass sich geplante Projekte dennoch als unrentabel erweisen. In einem solchen Fall könnten Betreiber von der Möglichkeit Gebrauch machen, Projekte abzubrechen – mit erheblichen Folgen für die Energiewende.
Über die Studie
Die Analyse wurde von der Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE in Auftrag gegeben und von enervis energy partners durchgeführt. Sie wurde im Rahmen des F&E-Projektes „Grüner Wasserstoff aus Offshore Windenergie 2“ durch das niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz finanziert. Der Auftrag der Stiftung zur unabhängigen Studie spiegelt dabei unter anderem die Aufforderung der Europäischen Kommission an die Mitgliedstaaten wider (Wind Power Package, Oktober 2023), die Auswirkungen der ungedeckelten Gebotskomponente auf die Entwicklung der Offshore-Windenergie zu analysieren. Eine entsprechend dezidierte Analyse für Deutschland fehlte bisher.
Über die Stiftung Offshore-Windenergie
Die Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE wurde 2005 zur Förderung des Umwelt- und Klimaschutzes durch eine verbesserte Erforschung und Entwicklung der Windenergie auf See gegründet. Sie hat sich als ein überparteilicher, überregionaler und sektorenübergreifender Thinktank zur Entwicklung der Offshore-Windenergie in Deutschland und Europa etabliert. Die Stiftung ist Kommunikationsplattform für Akteure aus Politik, Wirtschaft und Forschung, dient dem Wissensaustausch und versteht sich als Ideengeber und Multiplikator. Im Stiftungskuratorium sind sowohl wichtige Bundes- und Landministerien für den Offshore-Wind-Bereich wie auch Betreiber, Hersteller, Übertragungsnetzbetreiber, Zulieferer, Banken und Versicherungen vertreten.
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Andreas Mummert, Leiter Politik
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